Im Südosten Sachsens, unweit der polnischen Grenze, liegt ein Ort, der den Rahmen eines gewöhnlichen botanischen Gartens sprengt. Der Kromlauer Park, auch bekannt als Rhododendronpark Kromlau, ist eine einzigartige Landschaftsanlage, die architektonische Fantasie, floristische Vielfalt und eine geheimnisvolle Atmosphäre vereint. Die Krönung dieses Ortes ist eine der fotogensten Brücken der Welt – die Rakotzbrücke, auch als Teufelsbrücke bekannt.
Sie ist nicht nur eine Touristenattraktion, sondern auch eine Quelle der Inspiration für Floristen, Gartengestalter und Liebhaber der Gartengeschichte. Ein Ort, an dem sich der Geist der Romantik des 19. Jahrhunderts mit botanischer Perfektion und menschlicher Vorstellungskraft verbindet.
Ein florales Phänomen: Der königliche Rhododendron-Garten
Der Park in Kromlau erstreckt sich über mehr als 200 Hektar – er ist eine der größten Landschaftsanlagen im englischen Stil in Ostdeutschland. Obwohl er kein botanischer Garten im klassischen Sinne ist, machen ihn seine floristische Vielfalt und die künstlerische Konzeption zu einem Mekka für alle Pflanzenliebhaber – insbesondere für Fans von Rhododendren und Azaleen.
Rhododendren – die Könige des Parks
Rhododendren gehören zur Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae) und stammen ursprünglich aus dem Himalaya, China, Japan sowie Nordamerika. In Kromlau gibt es Dutzende botanische und gärtnerische Sorten – sie unterscheiden sich in Farbe, Wuchsform und Blütezeit. Die Sträucher erreichen hier beeindruckende Höhen von über drei Metern und bilden dichte, blühende Wände, durchzogen von romantischen Alleen und versteckten Pfaden.
Im Mai und Juni verwandelt sich der Park in eine Bühne für ein farbenprächtiges Spektakel – zarte Weißtöne, kräftiges Rosa, tiefes Violett und feuriges Rot verschmelzen zu harmonischen Kompositionen. Der Duft der blühenden Sträucher liegt in der Luft und zieht nicht nur Menschen, sondern auch zahlreiche Bestäuber an – Hummeln, Bienen und Schmetterlinge.
Nicht nur Rhododendren
Neben den Hauptakteuren des Parks – den Rhododendren – wachsen hier auch viele andere wertvolle Pflanzenarten und -sorten:
- Japanische und pontische Azaleen, die eine farbenfrohe, niedrigere Pflanzenschicht bilden
- Sumpfeichen, Blutbuchen, japanische Ahorne, Magnolien und Bauern-Hortensien sorgen für Struktur und saisonale Akzente.
- Im Waldboden gedeihen Moose, Farne und Immergrün, die natürliche Teppiche formen
Die florale Komposition des Parks ist nicht nur Ergebnis botanischen Wissens, sondern auch Ausdruck künstlerischen Feingefühls seiner Schöpfer, die sich vom romantischen Grundsatz leiten ließen: „Die Natur darf nicht gezähmt, sondern sanft durch die Hand des Gärtners geführt werden.“
Historischer Kontext: Baronie, Basalt und romantische Gestaltung Friedrich Hermann Rötschke – ein Visionär aus der Lausitz
Der Park in Kromlau entstand in den Jahren 1842–1873 auf Initiative von Friedrich Hermann Rötschke, einem wohlhabenden Gutsbesitzer und Beamten. Rötschke war begeistert von der Philosophie der Romantik, die damals in Deutschland Hochkonjunktur hatte. Sein Traum war es, eine „Landschaft der Seele“ zu schaffen – einen Ort, an dem Kunst, Natur und Symbolik zu einer Geschichte verschmelzen.
Er beauftragte keinen professionellen Landschaftsarchitekten – er leitete die Arbeiten selbst, inspiriert von englischen Gärten und Landschaftsanlagen, die er auf seinen Reisen durch Europa kennengelernt hatte. Stein, Wasser, Pflanzen und Licht sollten ein „lebendiges Bild“ ergeben, das sich im Laufe der Jahreszeiten wandelt.
Stein – die Sprache der Architektur in Kromlau
Eines der markantesten Merkmale des Parks ist die Verwendung von Basalt, der aus nahegelegenen Steinbrüchen in Sachsen und Böhmen herangeschafft wurde. Aus diesem Material entstanden nicht nur Zierelemente, sondern auch monumentale Gartenarchitektur – die Rakotzbrücke, der Rakotzstein (ein Basaltobelisk) sowie andere Felsformationen, die an Ruinen, Grotten oder natürliche Amphitheater erinnern.
Rakotzbrücke – Die Teufelsbrücke aus der Legende - Ein Meisterwerk der Illusion
Die Rakotzbrücke wurde zwischen 1860 und 1863 als symbolisches Tor zwischen den Welten errichtet. Ihre Konstruktion basiert auf einem perfekten Halbkreis – zusammen mit dem Spiegelbild im Wasser ergibt sich ein vollkommenes Rund, das göttliche Vollkommenheit, Unendlichkeit und den Lebenskreislauf symbolisieren soll.
Die Brücke war nie für den regelmäßigen Gebrauch gedacht – sie war von Anfang an als ästhetisches und spirituelles Objekt konzipiert. Deshalb wird sie auch „Malerbrücke“ genannt – besonders im Morgenlicht und bei ruhiger Wasseroberfläche zog sie Künstler und Dichter magisch an.
Die teuflische Legende
In der Volksüberlieferung wurden besonders außergewöhnliche Brücken dem Teufel zugeschrieben. Einer Erzählung nach fand Rötschke keinen Baumeister, der sich an ein solch schwieriges Vorhaben wagte. In seiner Verzweiflung schloss er einen Pakt mit dem Teufel, der versprach, die Brücke zu errichten – im Tausch gegen die Seele des ersten Wesens, das sie überquert. Rötschke überlistete ihn, indem er einen Hund über die Brücke schickte – woraufhin der Teufel zornig verschwand, die Brücke jedoch blieb.
Bis heute sagt man, dass man in mondhellen Nächten den Schatten des Teufels im Spiegelbild der Brücke sehen kann – und dass das Durchschreiten ihres Bogens Unglück bringt oder... einen Wunsch erfüllt, wenn das Herz rein ist.
Der Park im Wandel der Jahreszeiten – Flora und Stimmungen
- Frühling (April–Mai): Die Rhododendren erwachen zum Leben. Früh blühende Sorten zeigen sich in Rosa und Weiß.
- Sommer (Juni–August): Azaleen und späte Rhododendrensorten stehen in voller Blüte. Unter alten Eichen findet man wohltuenden Schatten.
- Herbst (September–Oktober): Gold, Kupfer und Purpur – das Laub der Bäume färbt sich in leuchtenden Tönen. Nebel verleiht der Brücke eine mystische Aura.
- Winter (Dezember–Februar): Schnee und Eis verwandeln den Park in eine stille Zauberwelt. Die Brücke erscheint wie ein gefrorener Zeitbogen.
Floristische Inspiration – Was Floristen aus Kromlau mitnehmen können
Für Profis, die mit Blumen arbeiten, bietet Kromlau nicht nur ästhetischen Genuss, sondern auch praktische Anregungen:
- Farbkompositionen: Die harmonische Farbwelt von Rhododendren und Azaleen liefert Vorlagen für Straußgestaltungen und Hochzeitsdekorationen.
- Schichtungen: Unterschiedliche Pflanzenhöhen, Blattstrukturen und Übergänge zwischen Beeten inspirieren zur Gestaltung von Gärten und Terrassen.
- Symbolischer Garten: Die Schaffung von Räumen, die Geschichten erzählen – wie die Rakotzbrücke von der menschlichen Seele berichtet – kann Floristen zu thematischen Ausstellungen anregen.
Praktische Informationen für Besucher
- Eintritt: Das Betreten des Parks ist ganzjährig kostenlos.
- Anreise: Die nächstgelegenen Städte sind Weißwasser, Bad Muskau und Görlitz. Von polnischer Seite aus liegt die Grenze bei Łęknica in unmittelbarer Nähe.
- Fotografie: Die Rakotzbrücke lässt sich am besten frühmorgens oder bei Sonnenuntergang fotografieren.
- Hinweis: Die Brücke ist für das Begehen gesperrt – das Betreten ist aus Gründen des Denkmalschutzes verboten.
Fazit: Kromlau – ein Garten mit Seele
Kromlau ist mehr als ein Park. Es ist ein lebendiges Kunstwerk, das sich mit den Jahreszeiten und dem Wetter verändert. Ein Ort, an dem Floristik auf Geschichte trifft, und die Natur mit der Stimme alter Romantiker spricht. Ein Raum der Kontemplation und des Staunens, in dem jeder Weg nicht nur durch den Wald, sondern auch durch eine Geschichte führt.
Autor:
Marcin Janas