Es gibt Momente im Leben eines Floristen, die für immer im Gedächtnis bleiben – voller Emotionen, schöpferischer Spannung und Freude am Gestalten. Für mich war ein solcher Moment das I Silesian Flowers Festival im barocken Schloss Żyrowa, das vom 15. bis 17. August 2025 stattfand.
Schon der Veranstaltungsort verlieh diesem Ereignis eine besondere Bedeutung. Das barocke Schloss mit seiner reichen Geschichte und seinen wunderschönen Gärten bot eine Szenerie, in der die Floristik ihre ganze Ausdruckskraft entfalten konnte. Dieser Ort erzählt von sich aus Geschichten voller Pracht, Emotionen und Kunst – die perfekte Bühne für einen vom Barock inspirierten Wettbewerb.
Der Wettbewerb – Barock in vier Akten
Der Wettbewerb bestand aus vier Aufgaben, von denen jede ein eigenes Kapitel der barocken Erzählung darstellte. Jeder Festivaltag brachte neue Emotionen und neue Herausforderungen. Es waren keine gewöhnlichen Disziplinen – es war eine Prüfung von Handwerk, Kreativität und der Fähigkeit, den eigenen Stil im Dialog mit der Geschichte des Ortes zu finden.
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„Barocker Glanz: Blumensymphonie“ – monumentale Rauminstallation.
Bei der Gestaltung im Schlossgarten fühlte ich mich wie eine Bühnenbildnerin im Theater – jede Linie, jeder Kontrast und jede Textur musste mit der umgebenden Architektur harmonieren. Diese Aufgabe war eine echte Bewährungsprobe der Fantasie und der Arbeit im großen Maßstab. Mein Werk war ein Versuch, die barocke Pracht in einer modernen Interpretation darzustellen – die Blumen sollten die Räume nicht nur schmücken, sondern sie „zum Leben erwecken“, sodass das Schloss zu atmen schien – mit Farben und Düften. Architektur, Natur und Raum vereinten sich in einem Punkt. Es war eine Herausforderung, die viel Logistik, Technik und körperliche Kraft erforderte – aber gleichzeitig die volle Entfaltung der Kreativität erlaubte. -
„Imperiale Eleganz: Blumige Majestät“ – ein repräsentativer Strauß, in dem Etikette, Raffinesse und königlicher Charakter zusammentrafen. Dieses Thema war zur Hälfte eine Überraschung, denn erst am Wettbewerbstag erfuhren wir, welche Blumen zur Verfügung standen. Das erforderte blitzschnelle Reaktionen, Kreativität und die Fähigkeit, das Konzept an das Material anzupassen. Hier konnte ich meine Leidenschaft für klassische Formen mit einem modernen Blick verbinden. Intuition und Erfahrung waren entscheidend – jede Entscheidung musste sofort fallen, und jedes Detail war sichtbar.
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Überraschungsaufgabe – Komposition in einem barocken Gefäß.
Eine besondere Herausforderung: Ein weißes Keramikgefäß – schlicht, aber charaktervoll. Es galt, mit ihm in einen Dialog zu treten, seinen Charakter zu unterstreichen, nicht zu überdecken. Meine Interpretation basierte auf Harmonie: Das Gefäß sollte für sich sprechen, die Blumen sollten es ergänzen, nicht dominieren. -
Überraschungsaufgabe – Body Decorations für Gräfin von Gaschin.
Eine außergewöhnlich performative und kreative Aufgabe. Eine florale Dekoration für eine historisch stilisierte Figur zu entwerfen, bedeutete eine Verbindung von Floristik, Mode und Theater. Inspiriert von der Geschichte einer barocken Dame wollte ich ihre Eleganz und Stärke in Blumenform ausdrücken. Hier ging es nicht nur um Ästhetik, sondern auch um Ergonomie und den Tragekomfort. Diese Aufgabe zeigte, dass Floristik die klassischen Grenzen überschreiten und Teil einer Performance werden kann. Für mich war es ein Moment voller künstlerischer Freiheit und Mut.
Jede Aufgabe hatte ein anderes Gewicht – mal stand Präzision im Vordergrund, mal Mut und emotionale Ausdruckskraft.
Internationale Jury – große Autoritäten
Unsere Arbeiten wurden von Meistern der Floristik bewertet:
- Ivan Bergh (Italien) – Vorsitzender, dessen Verständnis der Floristik als visuelle Kommunikationsform höchst inspirierend ist
- Klaus Wagener (Deutschland) – ein Visionär, dessen Worte über Komposition neue Perspektiven eröffnen
- Monika Bębenek (Polen) – eine Künstlerin der Natur, die Floristik mit Kunst und Emotion verbindet
- Rafał Kawałko (Polen) – ein Meister räumlicher und installativer Floristik, Pädagoge und Redakteur
Es war für mich eine große Ehre, vor einem solchen Gremium stehen zu dürfen und ihre Kommentare zu hören
Shows und Seminare – Inspirationen, die bleiben
Das Festival war nicht nur ein Wettbewerb, sondern auch ein Begegnungsort mit den Meistern und ihrer Kunst:
- Monika Harlos’ Show „Viva la Flor“ im Schlosshof war wie ein florales Spektakel – klassische Eleganz traf auf Moderne, jede Gestaltung war eine Geschichte voller Emotionen. Das Publikum reagierte begeistert, und ich selbst fühlte, Teil von etwas absolut Einzigartigem zu sein
- Klaus Wageners Seminar „New Ikebana“ war für mich eine Lektion, Floristik als Philosophie zu betrachten. Minimalismus und Ausdruck, Asymmetrie und Harmonie – all das ergab eine stimmige Erzählung, die mein Denken über Komposition neu geprägt hat.
- Die Hanakubari-Workshops unter der Leitung von Yasuko Oki waren besonders feinfühlig und tiefgründig. Ich habe verstanden, dass Floristik auch Achtsamkeit, Stille und Meditation bedeutet
Freude und Stolz – 2. Platz
Der Moment der Ergebnisverkündung war einer der emotionalsten in meiner Karriere. Zusammen mit Jennifer Mühlbauer belegte ich den 2. Platz. Die Jury hob die „raffinierte Ästhetik, technische Präzision und subtile Bezüge zur Schlossgeschichte“ unserer Arbeiten hervor.
Der 1. Platz ging an Lenne M. Cristansen & Jenni Rasmusen aus Dänemark, der 3. an Nadejda Rimbu & Irina Fuior aus Moldawien. Ich war glücklich, neben so talentierten Floristen stehen und diesen besonderen Moment gemeinsam erleben zu dürfen.
Dank und Reflexion
Dieses Festival war für mich weit mehr als ein Wettbewerb. Es war eine Reise – durch Geschichte, Kunst, Emotionen und menschliche Begegnungen.
Mein herzlicher Dank gilt:
- den Organisatoren Floraplus und den Eigentümern des Schlosses Żyrowa – für einen Raum, in dem wir unsere Flügel ausbreiten konnten,
- dem Schlosspersonal – für Herzlichkeit, Unterstützung und eine Atmosphäre, in der wir uns wie zu Hause fühlten
- Marek Zarankiewicz – für das Einfangen der Magie dieser Tage mit seiner Kamera. Seine Fotos sind nicht nur Dokumentation – sie erzählen Geschichten, wecken Emotionen und lassen uns immer wieder zurückkehren
- meinen beiden wunderbaren Assistentinnen Eva Volavá und Katarina Volavá aus Tschechien – für ihre Unterstützung, ihr Engagement und ihr großes Herz. Ohne eure Arbeit, Geduld und Energie wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. Ihr seid für mich nicht nur Mitarbeiterinnen, sondern Freundinnen, die mir in den schwierigsten Momenten des Wettbewerbs Flügel verliehen haben
- und schließlich allen Teilnehmern des Wettbewerbs – danke für die Inspiration, die schönen Gespräche und die gemeinsamen Emotionen. Ihr seid es, die den Geist solcher Veranstaltungen prägen und Floristik nicht nur zur Kunst, sondern zu einer Gemeinschaft leidenschaftlicher Menschen machen
Der I Silesian Flowers Festival hat mich gelehrt, dass Floristik nicht nur ein Beruf ist, sondern ein Weg – voller Leidenschaft, Begegnungen und der Entdeckung des eigenen Selbst. Es war eine intensive, schöne und unvergessliche Zeit. Schon heute weiß ich, dass ich nach Żyrowa zurückkehren werde – mit derselben Freude und noch größerer Inspiration.
Autorin:
Anna Janas